Anthropologische Perspektiven auf Gewalterfahrungen und Erinnerungsdiskurse
ASSA Journal 2/2012, ISSN 1815-3704
Regine Mader
Abstract
Gerade in der Zeit nach violenten Konflikten kommt Diskursen über die gewaltvolle Vergangenheit eine besondere Bedeutung zu. Die Erinnerung an vergangene Gewalterfahrungen steht dabei im Spannungsfeld zwischen den hegemonialen Erinnerungsdiskursen und den Gegendiskursen derjenigen, die durch die herrschenden Erinnerungspolitiken ausgegrenzt und vergessen werden.
In diesem Artikel wird auf die Prämissen eingegangen, welche subjektive Gewalterfahrungen im Diskurs über die Vergangenheit publik werden lassen oder privat und unteilbar machen. Ist es überhaupt möglich, Worte für extremste Gewalterfahrungen zu finden? Ist das Schweigen der traumatisierten Gewaltopfer nicht ein Beleg für die offenbaren Grenzen unserer Sprache, das Leiden beredt werden zu lassen? Wie lässt sich sonst das Schweigen begreifbar machen?
Mit Bezugnahme auf AutorInnen aus der Anthropologie und Nachbardisziplinen wird argumentiert, dass die Frage der Kommunizierbarkeit von Gewalt- und Schmerzerfahrungen einhergeht mit der Frage, inwieweit diese gehört und anerkannt werden und diskutiert, welche ethischen Implikationen sich hieraus für die Sozialwissenschaften ergeben, über die Gewalterfahrungen “Anderer” zu schreiben.
Schlagworte: Gewalt, Erfahrung, Erinnerung, Sprache, Schweigen
English abstract
Especially in times after violent conflict the discourses about the violent past are of particular importance. The memory of past experiences of violence is then situated between the conflicting languages of the hegemonic memory-discourses and the counter-discourses of those who are marginalized and forgotten by the prevailing memory-politics.
In this paper the premises under which subjective experiences of violence enter a public discourse or remain private and indivisible are debated. Is it even possible to find words for extreme experiences of violence? Is the silence of the traumatized victims not the evidence of the limits of our language to give voice to suffering? What other reasons can be found to make the silence understandable?
With reference to authors from anthropology and related disciplines, it will be argued that the question of the communicability of experiences of violence and pain goes along with the question to which extent these are being heard and recognized, and it will be discussed what this ethically implies for the social sciences, to write about the experiences of the “other”.
Keywords: violence, experience, memory, language, silence
Zu zitieren als
Mader, Regine 2012: Die beredte Vergangenheit: Anthropologische Perspektiven auf Gewalterfahrungen und Erinnerungsdiskurse. In: Austrian Studies in Social Anthropology, Journal 2/2012, 22p. URL: [AUS DER BROWSERZEILE ÜBERNEHMEN]. Zugriff: TT.MM.JJJJ.
Lebenslauf/ vita
Regine Mader, geboren 1988 in Braunschweig. Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien sowie an der Universidad de Antioquia in Medellín, Kolumbien. Masterstudium der Friedens- und Konfliktforschung seit Oktober 2011 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Einsätze zur Menschenrechtsbeoachtung in Mexiko und Kolumbien.
Forschungsinteressen: Lateinamerika, Indigene Bewegungen, Rechtsanthropologie, Feministische Theorien, Migration, Postkoloniale Diskurse, Entwicklungszusammenarbeit, Gewalt- und Konfliktforschung.
Regine Mader, born in Braunschweig in 1988. Study of Cultural- and Social Anthropology at the University of Vienna and at the University of Antioquia in Medellín, Colombia. Master studies in Peace- and Conflict Studies since October 2011. Human rights watch in Mexico and Colombia.
Research interests: Latin America, indigenous movements, legal anthropology, feminist theories, migration, postcolonial discourses violence and conflict research.
Kontakt (2012): regine@riseup.net